«BESCHEINIGUNGSLÜCKEN-REGELUNG»: GUT, ABER...


In der EU wird ja gegenwärtig versucht, mit allerlei „Heftpflastern“ die systemischen Unzulänglichkeiten der MDR-Regulierung zu kurieren. Eines dieser „Pflaster“ ist das „Positionspapier“ MDCG 2022-18, das die Problematik der MDD/MDR-„Bescheinigungslücken“ entschärfen soll. Swissmedic ihrerseits hat sodann beschlossen, den EU-Ansatz zu übernehmen und Anfang Januar dieses Jahres ein „Informationsblatt“ herausgegeben, das „die Umsetzung des Positionspapiers MDCG 2022-18 […] durch die Schweiz“ beschreibt (MU640_00_001).

Sowohl das Dokument MDCG 2022-18 als auch der Swissmedic-Ansatz wurden von den (potenziell) Betroffenen bzw. Begünstigten überwiegend begrüsst. Dabei sollte indessen nicht übersehen werden, dass diese Regelungen für Hersteller, CH-REPs und auch andere Akteure gewisse „Fallstricke“ mit sich bringen können, die auf einen ersten Blick nicht erkennbar sind, aber zu einem bösen Erwachen führen können, falls während einer „Bescheinigungslücke“ mal etwas schiefgehen sollte. Von diesen sollen nachfolgend lediglich zwei kurz adressiert werden: Der Anpassungsbedarf bei den vertraglichen Vereinbarungen und die Gefahr von Lücken bei der Deckung durch die (Produkt-) Haftpflichtversicherung.


VERTRAGLICHE REGELUNGEN: ÜBERPRÜFEN UND GGF. ERGÄNZEN

Je nach Zustand der konkreten „Atmosphäre“ im Verhältnis zwischen einem Hersteller und seinem CH-REP kann es zunächst angezeigt sein, die vertragliche Regelung zwischen diesen beiden (das „Mandat“ im MDR-Jargon) punktuell zu ergänzen. Denn mit dem „Informationsblatt“ hat Swissmedic den CH-REPs „mal eben so“ neue Pflichten auferlegt (rechtlich übrigens durchaus bededenklich – dass eine Vollzugs(!)behörde eine übergeordnete rechtliche Regelung „kreativ ergänzt“, kann rasch einmal die Grenze zum „Handeln ohne rechtliche Grundlage“ überschreiten…). Jedenfalls müssen die CH-REPs gemäss der im Swissmedic-Informationsblatt enthaltenen „Tabelle 1“ überprüfen, ob „eine Bestätigung gemäss MDCG 2022-18 von einer zuständigen EU/EWR-Behörde ausgestellt wurde“, und dann auch eine Kopie der entsprechenden „Bestätigung“ bereithalten. Diese (zusätzlichen) Pflichten kann der CH-REP freilich nur erfüllen, wenn der Hersteller seinerseits die erforderlichen Grundlagen dafür liefert. Und das wiederum – und insbesondere die Konsequenzen für den Fall, dass er das nicht tut – sollten mit Vorteil im CH-REP-Vertrag (oder einer kurzen Zusatzvereinbarung) adressiert werden. Denn gesetzliche Grundlagen, die im Falle entsprechender Lücken herangezogen werden könnten, existieren diesbezüglich eben gerade nicht.


VERSICHERUNGSSCHUTZ: ÜBERPRÜFEN UND GGF. ANPASSEN

Fast wichtiger scheint es jedoch für die Hersteller, die von der „Bescheinigungslücken-Regelung“ profitieren wollen, und für ihre CH-REPs (und übrigens ggf. auch für die Importeure), dass sie ihre vertraglichen Regelungen mit den jeweiligen (Produkt-) Haftpflichtversicherern überprüfen. Denn hier können u.U. empfindliche Deckungslücken drohen. Diese hängen damit zusammen, dass während der „Bescheinigungslücke“ im Grunde Produkte in Verkehr gebracht werden, die nicht konform mit den regulatorischen Vorgaben sind. Insbesondere fehlt jeweils eben eine gültige Konformitätsbescheinigung (was ja im Swissmedic-Infoblatt auch ausdrücklich gesagt wird). Soweit nun in den jeweiligen vertraglichen Regelungen mit den Haftpflichtversicherern ein Vorbehalt enthalten ist, gemäss welchem nur dann eine Deckung gewährt wird, wenn das Produkt rechtmässig in Verkehr gebracht wurde (was in der einen oder anderen Form immer der Fall sein wird), sollte man mit der Versicherung klären, wie sich das während der „Bescheinigungslücke“ verhält. Denn während dieser Zeit wird das Produkt – streng genommen – eben gerade nicht rechtmässig in Verkehr gebracht. Das unrechtmässige Inverkehrbringen wird lediglich durch Swissmedic toleriert. Dabei kann die „Bescheinigungslücke“ durchaus lang ausfallen – im MDCG-Positionspapier ist von bis zu zwölf Monaten die Rede, ggf. auch länger. Wenn nun just während dieser Zeit ein Produkt einen Schaden verursacht, sollte man sich vergewissert (und möglichst verbindlich zugesagt lassen) haben, dass die Versicherung die Deckung auch dann gewährt. Ansonsten drohen im Schadensfall zu dieser Frage eher unangenehme Auseinandersetzungen mit der Versicherung – und im schlimmsten Fall ein Deckungsausfall.